Vielleicht werfen Sie Ihrem Arzt oder Therapeuten bereits vor, dass er Sie vor Beginn der medizinischen Maßnahme nicht richtig informiert hat? Oder Sie haben die Vermutung, dass die Therapie nicht die Richtige war? Seit der Operation haben Sie mehr Beschwerden als zuvor?
Fehler in der medizinischen Behandlung können in allen Stadien der Heilbehandlung oder Pflege auftreten. Hier gebe ich Ihnen einen Überblick, zwischen welchen Arten von Behandlungsfehlern in der Praxis unterschieden wird.
Die Aufklärung ist eine der Hauptpflichten der Ärzte aus dem Behandlungsvertrag.
Das Recht, selbst über seine körperliche Unversehrtheit zu entscheiden, schließt auch die Freiheit des Patienten ein, einen Eingriff oder eine Maßnahme abzulehnen. Vor jedem ärztlichen Eingriff ist deshalb die Einwilligung des Patienten erforderlich, § 630d Abs. 1 BGB. Diese Einwilligung kann ausdrücklich oder stillschweigend durch schlüssiges Verhalten erfolgen.
Handelt der Arzt ohne die Einwilligung des Patienten, ist darin eine strafbewährte Körperverletzung zu sehen. Damit eine Einwilligung auch wirksam sein kann, ist eine hinreichende Aufklärung des Patienten vor der Behandlung notwendig.
Sie besteht einerseits in der Informationspflicht, andererseits in der Aufklärungspflicht.
Die Informationspflicht, § 630a Abs. 2 und 3 BGB, besagt, dass der Arzt verpflichtet ist, dem Patienten zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern. Diese sind insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen.
Die Aufklärungspflicht, § 630e Abs. 1 BGB, besagt, dass der Behandelnde verpflichtet ist, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.
Die Aufklärung muss
Dem Patienten sind Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen.
Ein Aufklärungsfehler wird dem Arzt also vorgeworfen, wenn er gegen die genannten Pflichten verstoßen hat. Ist Ihnen dadurch ein Schaden entstanden, ist der Behandelnde Ihnen gegenüber zum Ersatz verpflichtet.
Nach § 630h Abs. 5 S. 2 BGB haftet der Arzt auch dafür, wenn er es unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, soweit der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte, und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fehlerhaft gewesen wäre.
Kurz gesagt liegt ein Befunderhebungsfehler demnach vor, wenn der Arzt Befunde nicht oder nicht rechtzeitig erhoben hat, diese Befunde aber vermutlich wichtig waren und Anlass zu einer Behandlung gegeben hätten.
Der Mediziner hat es also unterlassen, die sich nach den Beschwerden des Patienten ergebende Verdachtsdiagnose durch die Einholung entsprechender Befunde (rechtzeitig) abzusichern.
So kann es etwa angezeigt gewesen sein, ein Blutbild anzufertigen, ein EKG zu schreiben oder bildgebende Diagnostik zu veranlassen, wie ein Röntgen, eine Sonografie oder eine MRT / CT.
Wird dem Mediziner einer grober (also erheblicher) Befunderhebungsfehler vorgeworfen, bringt das den Patienten wiederum in eine günstige Position, denn hier muss der Arzt beweisen, dass die unterlassene Befunderhebung nicht zu einem Schaden geführt hat. Gleiches kann, unter bestimmten Voraussetzungen, auch bei Vorliegen eines einfachen Befunderhebungsfehlers gelten.
Der Arzt muss dabei nicht zwangsläufig alle diagnostischen Möglichkeiten voll ausschöpfen. Welche Untersuchungen angezeigt sind, richtet sich etwa nach der Schwere der Erkrankung oder der Häufigkeit. Hat der Arzt eine erste, sich nach den Symptomen ergebende Verdachtsdiagnose gebildet, darf er zunächst abwarten, ob seine Therapie anschlägt. In der Bewertung findet der Umstand Berücksichtigung, dass Krankheitssymptome nicht immer eindeutig sind, mitunter auch atypisch ausgestaltet sein können.
Der Diagnosefehler ist vom Befunderhebungsfehler zu unterscheiden. Beim Diagnosefehler wird dem Arzt vorgeworfen, die erhobenen Befunde nicht oder nicht richtig gedeutet zu haben.
Die Unterscheidung zwischen einem Diagnose- und einem Befunderhebungsfehler ist indes wichtig, denn beim Befunderhebungsfehler kommt, wie dargestellt, dem Patienten zumeist eine Beweislastumkehr zugute. Das Gesetz sieht dies bei einem Diagnosefehler so nicht vor, was die Durchsetzung der Rechte schwieriger macht, da der Patient hier in der Beweispflicht bleibt. Der Patient muss bei einem Diagnosefehler beweisen, dass der Fehler ursächlich für die eingetretenen Schäden war.
Ein Dokumentationsfehler ist kein Behandlungsfehler im eigentlichen Sinne. Ein Verstoß gegen die Pflichten rechtfertigt für sich allein noch keinen Ersatzanspruch des Patienten. Aber die Vorschrift erleichtert bei einem Verstoß gegen die gesetzlichen Dokumentationspflichten die Durchsetzung von Ersatzansprüchen, die auf einem Behandlungsfehler beruhen.
Von einem Dokumentationsfehler spricht man, wenn der Arzt seine Behandlung unvollständig oder gar nicht in der Patientenakte dokumentiert hat.
In § 630h Abs. 3 BGB heißt es: Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis entgegen § 630f Absatz 1 oder Absatz 2 BGB nicht in der Patientenakte aufgezeichnet oder hat er die Patientenakte entgegen § 630f Absatz 3 BGB nicht aufbewahrt, wird vermutet, dass er diese Maßnahme nicht getroffen hat.
Es wird, sofern die Behandlung nicht dokumentiert wurde, damit vermutet, dass die Behandlung nicht stattgefunden hat. Diese Vorschrift bringt dem Patienten einen echten Beweisvorteil.
Der klassische Behandlungsfehler ist im Volksmund als „Kunstfehler“ oder "Ärztepfusch" bekannt. Dem Arzt wird, vereinfacht ausgedrückt, vorgeworfen, nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst behandelt zu haben.
Hier sind zwei Konstellationen denkbar:
Zum einen kann dem Behandelnden vorgeworfen werden, er habe die falsche Methode in der Behandlung gewählt. Etwa, wenn er eine veraltete Behandlung vornimmt oder zu einer Operation rät, obwohl weniger einschneidende alternative Behandlungsmöglichkeiten existieren. In meiner Praxis kommt letzteres recht häufig bei Bandscheibenoperationen vor. Hier sind viele Ärzte schnell bei einem Rat zur OP, obwohl der Patient noch nicht alternativ austherapiert ist und auch andere Behandlungen erfolgversprechend wären.
Gerade in Krankenhäusern scheint es so zu sein, dass aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus viele operative Eingriffe vorgenommen werden, obwohl diese in vielen Fällen gar nicht erforderlich wären. So gilt Deutschland seit langem als Weltmeister bei der Zahl von Operationen, obgleich unterstellt werden darf, dass Deutsche auch nicht häufiger erkranken als Engländer oder Franzosen. Auf diese Fallgestaltung ist damit besonderes Augenmerk zu legen. Im Rahmen einer Gutachterbeauftragung ist der Sachverständige ggf. auch danach zu fragen, ob die Operation überhaupt indiziert war oder ob es auch Alternativen gegeben hätte.
Der Fehler kann aber auch in der fehlerhaften Ausführung der Behandlung liegen. Zum Teil definiert bereits das Gesetz den einzuhaltenden Standard (z.B. im Transplantationsgesetz oder im Transfusionsgesetz), zumeist wird der jeweils einzuhaltende Fachstandard aber über Leitlinien definiert. Wenn solche nicht existieren, ist auf die gängige Praxis oder medizinische Veröffentlichungen abzustellen.
Der Arzt schuldet nicht die neueste medizinische Behandlung und auch nicht die modernste Ausstattung der Geräte, auch ältere Behandlungsmethoden sind ausreichend. Das gilt jedenfalls so lange, wie die neuere Methode nicht wesentlich risikoärmer, weniger belastend oder erfolgversprechender ist. Auch muss die neue Art der Behandlung erprobt, unumstritten sein und in der Praxis weite Anwendung finden.
In § 630h Abs. 1 BGB heißt es: Ein Fehler des Behandelnden wird vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat.
Darunter fallen die sog. Organisationsfehler.
Das Gesetz normiert also auch hier eine Beweiserleichterung für den Patienten. Der Behandelnde muss darlegen und beweisen, dass alle organisatorischen und technischen Vorkehrungen getroffen wurden, um das eingetretene Risiko zu vermeiden.
Hierunter sind Fallkonstellationen zu verstehen, die die Organisation, die Überwachung und die Koordination von Arbeitsabläufen in Praxen oder Kliniken betreffen.
Zu denken ist hier etwa an mangelnde Qualifikation des Personals, fehlende Dienstanweisungen, unzureichende personelle oder technische Ausstattung oder fehlende Kommunikation zwischen den einzelnen Bereichen. Auch Anfängerfehler können hierunter fallen. So liegt es in der Natur der Sache, dass junge und unerfahrene Ärzte ein höheres Risiko haben, Fehler zu begehen, allerdings muss diesen Risiken durch entsprechende Gegenmaßnahmen entgegengewirkt werden, etwa durch die Aufsicht eines erfahrenen Arztes während einer Operation.
Aber auch im Bereich der medizinischen Ausstattung und beim Einsatz medizinischer Geräte ist an einen organisatorischen Fehler zu denken, etwa, wenn das eingesetzte Gerät nicht (richtig) funktionstüchtig ist.
Von einem Übernahmeverschulden spricht man, wenn der Arzt eine medizinische Behandlung durchführt, für die er nicht oder nicht ausreichend qualifiziert ist, etwa aufgrund fehlender Ausbildung oder fehlender Spezialisierung. Es liegt auch dann vor, wenn der Arzt an seine fachlichen Grenzen stößt, er es aber unterlässt, an einen fachlich versierten Arzt weiter zu überweisen oder einen solchen hinzuzuziehen. Es kann auch darin liegen, dass das Krankenhaus nicht über die bei der Behandlung erforderliche personelle oder apparative Ausstattung verfügt. Lediglich im Bereich der Notfallmedizin gelten, bedingt durch den zeitlichen Druck der Notfallsituation, Ausnahmen.
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